Ich habe keine Zeit“ ist ein Satz, den bestimmt jeder von euch schon mal gesagt und gehört hat. Viele nicken dann als Antwort darauf und entgegnen „Ja, kenn ich auch. Furchtbar viel zu tun gerade.“ Damit rangiert „keine Zeit“ vermutlich ganz oben auf der Liste der gesellschaftlich akzeptierten Ausreden. Ja, genau. Ausreden.

Hast du dich mal gefragt, ob das eigentlich stimmt, wenn du das selbst sagst oder von anderen hörst? Stimmt es, dass du einfach „keine Zeit“ hast, zum Sport zu gehen, mal wieder eine Freundin anzurufen oder mal darüber nachzudenken, wie du in 5 Jahren leben willst? 

Unser aller Tag hat 24 Stunden. Trotzdem gibt es aber Menschen, die auch sehr viel arbeiten, sich um andere kümmern und es trotzdem schaffen, regelmäßig Sport zu machen. Menschen, die Vollzeit arbeiten und es trotzdem irgendwie hinkriegen sich intensiv zu überlegen, wie sie leben möchten, wenn sie mal alt sind. Ihr alle kennt vermutlich jemanden, bei dem ihr euch denkt: Wie macht er oder sie das alles? Bei denen es so scheint, als hätten sie einfach mehr Zeit als andere.  

Ich kenne das auch und habe oft neidisch auf solche Menschen geblickt. Mich schlecht damit gefühlt, dass ich nicht so viel hinkriege, obwohl ich doch auch weiterkommen wollte. Mich nicht aufraffen konnte, obwohl ich mir doch ganz fest was vorgenommen hatte.  Bis ich irgendwann – durch diverse Bücher, Podcasts und Co zu dem Thema – erkannt habe, dass es nicht um Zeit geht. Um die Minuten und Stunden, die wir alle zu wenig haben. Es geht darum, welche Prioritäten, die du in deinem Leben setzt. 

Ich glaube: Wenn du für eine Sache „keine Zeit“ hast, dann ist dir in Wirklichkeit etwas anderes wichtiger.

Denn wenn dir etwas wirklich wichtig ist, dann würdest du dafür sorgen, dass das auch möglich wird. Ganz einfach. Fakt ist. Wir haben alle viel zu tun. Zumindest die meisten von uns. Diejenigen, die sich etwas vornehmen und dass dann auch wirklich umsetzen unterscheiden sich von den anderen nur dadurch, dass die das Thema zur Priorität erklären. Und ich bin mir ganz sicher, dass du genau weißt, wie das ist und das auch schon gemacht hast. 

Denk mal an dein letztes großes Ziel zurück, was du erreicht hast. An etwas, das du unbedingt tun oder schaffen wolltest. Vielleicht wolltest du dich für einen neuen Job bewerben, einen 10 km Lauf absolvieren, die Wohnung renovieren. Bevor du dieses Ziel ins Auge gefasst hast, hattest du vermutlich auch schon ein Leben, das du nicht großteils in der Hängematte verbracht hast, oder? Und trotzdem hast du es erreicht. Wie hast du das gemacht? Woher kamen da plötzlich die Minuten und Stunden, die jetzt auf einmal fehlen, wenn es darum geht, etwas anzugehen, was du dir „ja eigentlich vorgenommen“ hattest. Diese Zeit hast du dir bestimmt nicht irgendwo hergezaubert. Diese Zeit hast du dir freigeräumt. Du selbst. Niemand sonst. Denn Zeit ist nichts, was du findest, sondern etwas, das du die nehmen musst. 

Wie wichtig sind dir also all diese Dinge, die du gerade immer wieder aufschiebst? Suche dir doch eine dieser Sachen aus und ersetze „Ich finde da einfach keine Zeit“ durch „Mir sind gerade andere Dinge wichtiger“. 

Überlege dir auch ganz konkret, was genau dir gerade wichtiger ist – was du also stattdessen tust oder meinst lieber tun zu wollen.

Zum Beispiel:

  • Ich will ja laufen gehen, aber mir ist es nach der Arbeit gerade wichtiger, auf dem Sofa zu liegen und mich auszuruhen.
  • Ich würde ja die Bewerbung für einen neuen Job schreiben, es ist mir aber gerade wichtiger, dass in meinem Leben alles so bleibt, wie es ist. Zu viel Veränderung würde mich gerade überfordern.
  • Ich würde mich ja häufiger mit anderen Menschen treffen, aber es ist mir am Wochenende gerade wichtiger, für mich allein zu sein.

Wenn du das die Beispiele oder deine eigenen Sätze dazu liest, bemerkst du vielleicht folgendes: All diese Sätze klingen sehr ehrlich. Denn sie sagen etwas über die Person aus und darüber, was ihr wichtig ist. Wenn es dir schwergefallen ist, solche Sätze für dich zu formulieren, dann liegt das genau daran: Du sagst mit einem solchen Satz viel mehr über dich aus als mit einem sehr allgemeinen „Ich würde ja, aber ich habe einfach keine Zeit.“  Und alle diese Sätze beinhalten ein „mir ist es gerade wichtiger“ – denn Prioritäten können sich ändern und sind nur eine Momentaufnahme.

Wenn du Dinge aus der „Ich-Perspektive“ formulierst, kannst du sie besser auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen

Wie du oben schon gesehen hast, triffst du mit der Übung oben plötzlich eine Aussage über dich selbst. Über das was du – vermeintlich – willst und was dir wichtig ist. Und diese Aussage kannst du nun daraufhin prüfen, ob sie wirklich wahr ist.  

Lass uns eins der Beispiele genauer ansehen: Ist es wirklich wahr, dass es dir wichtiger ist, dich nach der Arbeit auszuruhen als laufen zu gehen? Wie fühlt es sich an, das so zu sagen? Stimmt das für dich und deine aktuelle Situation? Beides ist möglich: Es kann gut sein, dass du vielleicht wirklich gerade das Gefühl hast, dich zu überfordern und dass es daher eine bewusste Entscheidung ist, dir nicht auch noch ein “Hobby” draufzuschaffen, sondern wirklich einfach Zeit zu haben, in der du nichts tust. Dass dir das wirklich wichtiger ist. Und dann ist das auch in Ordnung.

Vielleicht merkst du aber auch in dem Moment, wo es du so für dich aufschreibst, dass der Satz für dich eigentlich absurd klingt. Vielleicht möchtest du wirklich von ganzem Herzen fitter werden, in einem Jahr einen Halbmarathon laufen … wie kann es denn da wichtiger sein, auf dem Sofa zu liegen, was du ja stattdessen offenbar tust? So kannst du für dich besser erkennen, an welcher Stelle du wirklich ein Ziel “vor dir herschiebst” und dafür Ausreden erfindest.

Du kannst aber auch erkennen, an welcher Stelle du gute Gründe hast, ein Thema nicht anzugehen, weil dir einfach andere Dinge gerade wichtiger sind: Zeit für dich oder auch Zeit für die Menschen in deiner Familie oder deinem Freundeskreis, die dich vielleicht gerade besonders brauchen. Zeit für ein anderes Projekt, das dir einfach wichtiger ist, weil du das Gefühl hast, dass es dich glücklicher machen wird, eben dieses andere Projekt zuerst umzusetzen. Es muss ja nicht heißen, dass du das Thema nie angehst oder das Ziel nie erreichst – nur eben ist JETZT dafür dann einfach nicht der richtige Moment. 

Du siehst: Es ist total in Ordnung, wenn dir andere Dinge wichtiger sind. Es sollten nur die “richtigen” Dinge sein, denen du Priorität und damit Zeit in deinem Leben einräumst.

Und da hilft es manchmal sich zu fragen, wo du nur “aufschiebst” und wo dir wirklich andere Dinge wichtiger sind. Denn gerade letzteres kann auch sehr befreiend sein, denn es macht auch deutlich: Du kannst nicht alles machen, was du dir vornimmst. Kein Mensch kann und tut das – auch die nicht, die vermeintlich alles hinbekommen. Auch diese Menschen haben einen Fokus und lassen andere Dinge dafür – grundsätzlich oder für eine Weile – in der Priorität zurückfallen. Das ist nur das, was du oft bei den anderen nicht sehen kannst. Vielleicht sprichst du einfach mal mit einem dieser Menschen und fragst genau danach. “Was hast du in deinem Leben herunter priorisiert, um dieses Ziel zu erreichen? Und wie hast du entschieden, welche Sache das sein soll?” Ich bin mir sicher, du wirst so manche recht überraschende Antwort darauf bekommen. 

Aber mich interessiert auch: Was ist aktuell dein großes Ziel? Hast du es schon zur Priorität erklärt oder hast du immer noch keine Zeit?