In unserer heutigen, hektischen Welt haben viele Menschen Schwierigkeiten, das kleine, aber so wichtige Wort „Nein“ auszusprechen. In meinen Coachings habe ich oft mit Menschen zu tun, die wegen ihrer hohen Arbeitslast unzufrieden sind. Oft zeigt sich im Gespräch, dass sie selbst einen Anteil an dieser Last hatten oder haben: Da wird das Projekt der Kollegin übernommen, weil sie „so nett gefragt“ hat oder einfach aus dem Selbstverständnis heraus, dass man nun mal eben so ein Mensch ist, der anderen gerne „hilft“.

Doch genau dieses „Nicht-Nein-Sagen“ führt häufig zu Überlastung, Stress und einer Menge (unnötigem) Frust.

Doch wie schaffen wir es, „Nein“ zu sagen, ohne uns dabei schlecht zu fühlen und ohne andere vor den Kopf zu stoßen? In diesem Artikel lernst du einige Techniken, die du direkt anwenden kannst.

Warum „Nein“ zu sagen wichtig ist

Bevor wir uns den praktischen Tipps widmen, lass uns einen Blick darauf werfen, warum es überhaupt so schwer fällt, „Nein“ zu sagen – und warum es so unglaublich wichtig ist, es zu lernen.

Unser Gehirn ist evolutionär darauf gepolt, zur Gruppe dazuzugehören. Das bedeutet, wir wollen gemocht werden und haben Angst davor, andere zu enttäuschen. Dieses Bedürfnis kann dazu führen, dass wir Ja sagen, auch wenn wir eigentlich nicht wollen. Aber: Wenn du immer nur Ja sagst, bleibt irgendwann nichts mehr für dich selbst übrig. Deine eigenen Ziele, Bedürfnisse und auch deine Gesundheit bleiben auf der Strecke.

Merke: „Nein“ zu sagen bedeutet nicht, egoistisch zu sein. Es bedeutet, bewusst mit deiner Zeit und Energie umzugehen – das wertvollste Gut, das du hast.

„Nein“-Sagen ohne „Nein“ zu sagen: 5 Techniken für mehr Klarheit

Die folgenden Techniken stammen zum Teil aus dem Buch „Essentialism“ von Greg McKeown (das ich übrigens sehr empfehlen kann). Es zeigt verschiedene Techniken auf, wie du auf charmante Weise „Nein“ sagen kannst, ohne dabei das Wort „nein“ überhaupt auszusprechen.

1. „Unangenehme Stille“

Ja, es ist immer sehr unangenehm, einfach nichts zu sagen. Manchmal kannst du genau dieses Schweigen aber als Werkzeug für dich nutzen. Zähle innerlich bis 3, bevor du antwortest – manchmal reicht das schon, damit die andere Person das Schweigen füllt mit einem „Du hast ja aber sicher auch sicher viel zu tun – ich frage jemand anderes.“

2. „Nein, aber … “ (oder: Das weiche „Nein“)

Diese Technik nutzt die Energie eines „Ja“, um sanft auf das „Nein“ überzuleiten. Beispiel: „Ja, das hört sich interessant an, aber momentan kann ich das nicht übernehmen. Vielleicht ein anderes Mal!“

3. „Lass mich meinen Kalender checken – ich melde mich!“

Das ist ein guter Trick für diejenigen, die oft aus einem Impuls heraus (oder weil sie andere nicht enttäuschen möchten) gerne „ja“ sagen und das Gefühl haben, sobald jemand sie um einen Gefallen bittet, kommen sie aus der Nummer eh nicht mehr raus.

Gewöhne dir daher den oben genannten Satz an. In abgewandelter Form kannst du auch einfach sagen „Ich muss schauen, wie das gerade reinpasst – ich verschaff mir mal einen Überblick und melde mich dann morgen nochmal, ok?“

Damit machst du deutlich, dass du auch andere, wichtige Dinge zu erledigen hast – signalisierst aber gleichzeitig, dass du versuchst, es möglich zu machen. Du kannst also in Ruhe prüfen, ob du wirklich „ja“ sagen möchtest – und die andere Person wird dir auch ganz sicher nicht den Kopf abbeißen, wenn du dann sagst „Es tut mir leid, es passt gerade nicht“ – vielleicht kombiniert mit dem „aber ein anderes Mal gerne“ aus der vorherigen Technik.

Der Vorteil dieser Technik ist klar: Sie verschafft dir Bedenkzeit. Wenn du das Gefühl hast, dass die Person sofort eine Antwort erwartet, gebe ich meinen Coachess gerne auch folgenden Trick mit: Wenn du in einem Online-Meeting bist, kannst du einfach sagen „Ah, es hat eben geklingelt – ich muss ganz kurz zur Tür!“ oder im Büro „Du sorry, wir können sofort weitersprechen, aber ich muss mal eben ums Eck. Bin sofort wieder da.“

Auch das verschafft dir eine kurz Auszeit, in der du überlegen kannst, wie du reagieren willst – statt sofort schuldbewusst einfach „ja“ zu sagen.

4. Sage „Ja, was soll ich dafür runterpriorisieren?“

Das ist eine Technik, die du besonders gut im beruflichen Kontext anwenden kannst, wenn deine Führungskraft mit einer neuen Aufgabe um die Ecke kommt.

Auch diese Technik ließt sich wieder ganz wunderbest mit der vorherigen kombinieren. Sage „Ich muss mal meine Aufgaben anschauen und melde mich dann morgen nochmal.“

Ich habe das selbst im Angestelltendasein häufiger so gemacht – gerade, weil auch immer jemand war, der gerne zu viel angenommen hat. Ich habe bei einer neuen Aufgabe also eine Liste gemacht mit allen Projekten, an denen ich gerade arbeiten. Damit bin ich zu meiner Führungskraft gegangen und habe gesagt: „Das sind meine Aufgaben. Das, das und das finde ich gerade besonders wichtig (aus den und den Gründen). Diese Aufgabe könnte ich runter priorisieren, wenn ich dafür die andere Aufgaben übernehmen soll – dann brauche ich dafür aber dein „Go“.“

Im Ergebnis bekommst du dann also die offizielle Genehmigung, etwas anderes liegen zu lassen – oder es bekommt jemand anderes die Aufgabe, der oder die gerade mehr Luft hat (oder schlechter „nein“ sagen kann ;)).

5. Sage „Ich kann leider nicht, aber xy hat vielleicht Interesse!“

Das ist eine Technik, die ich gerade in der Selbstständigkeit wirklich empfehlen kann (und die ich selbst oft genutzt habe). Angenommen, du bekommst einen Anfrage für ein Projekt, dass du vielleicht „gerade so“ stemmen könntest – du weißt aber auch: Das wird eng!

Anstatt einfach „nein“ zu sagen, kannst du auch sagen: „Ich habe dafür gerade einfach keine Kapazität – aber ich kenne da jemanden aus meinem Netzwerk, der/die das vielleicht übernehmen könnte.“

Das hat direkt zwei Vorteile: 1) Du bietest der anderen Person proaktiv eine Lösung in Form einer anderen Person an und 2) du verschaffst einem Menschen aus deinem beruflichen Netzwerk vielleicht einen neuen Auftrag. Richtig viele Karma-Punkte incoming.

Die Vorteile des Nein-Sagens

Wie dir hoffentlich nun klar sein sollte, hat es schon einige Vorteile, ab und zu mal „nein“ zu sagen – und mit der Zeit wird es auch einfacher – versprochen. Die wesentlichen Vorteile sind aus meiner Sicht:

Jedes „Nein“ schafft Raum für ein „Ja“

Indem du „Nein“ sagst, gewinnst du die Kontrolle über dein Leben zurück. Du entscheidest, wohin deine Energie fließt – und das ist eine echte Superkraft. Es schafft für ein „Ja“ zu den Dingen, die dir wichtig sind: Ja, zu den wirklich relevanten Projekten, deiner Gesundheit und zu Freund*innen und Familie.

Andere Menschen lernen deine Grenzen kennen

Mit jedem „nein“ kommunizierst du klar, dass du ein Mensch mit Grenzen bist – und jemand, der Dinge mit Bedacht angeht und nicht einfach pauschal zu allem „ja“ sagt. Das wird sich langfristig nicht nur positiv auf deine Zeit auswirken – sondern auch darauf, wie andere dich wahrnehmen. Weil sie wissen: Wenn du „ja“ sagst, dann meinst du es auch so und sie können sich auf dich verlassen.

Fazit: Grenzen setzen – ohne Reue!

Neinsagen ist eine Kunst, die es zu meistern gilt. Es braucht Übung, Mut und manchmal auch einen tiefen Atemzug. Aber denk daran: Indem du Nein sagst, sagst du gleichzeitig Ja zu dir selbst. Und das ist das größte Geschenk, das du dir machen kannst.

Also, worauf wartest du? Fang an, deine Grenzen zu setzen – und beobachte, wie sich dein Leben zum Positiven verändert!